Kürzlich organisierten die zwei P-Seminare „Erinnerungskultur“ des Gymnasiums Ergolding (Leitung: H. Fischer) und des Hans-Carossa-Gymnasiums (Leitung: Y. Löken und B. McMahon) zusammen mit dem zweiten Vorsitzenden des Stolpersteine-Vereins, Franz Gervasoni, den Zeitzeugenbesuch von Steven Anson, einem Holocaust-Überlebenden der zweiten Generation, an den zwei Schulen.
Bei seinem Besuch am Gymnasium Ergolding stellte Steven Anson verschiedene Lebensstationen seines Vaters Martin Ansbacher in Deutschland wie auch dessen Flucht nach Großbritannien vor. Fotografien und Fotos von Dokumenten als auch Original-Aufnahmen von Martin Ansbacher und seiner Familie gaben ein eindringliches Bild dieser Zeit wieder. So waren Martin Ansbacher und seine Eltern 1932 aufgrund der antisemitischen Ausschreitungen vom mittelfränkischen Leutershausen nach Landshut gezogen. Dort betrieben sie gemeinsam mit ihren Verwandten das Geschäft „Textilhaus M. und W. Ansbacher“ in der Altstadt. Martin Ansbacher wurde aktives Mitglied im Achdorfer Fußballclub. Doch auch in Landshut wurde die Familie Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft: 1935/36 musste das Textilhaus geschlossen werden, da der Mietvertrag aufgekündigt wurde. Sie fanden einen Hausbesitzer, der ihnen trotz der Drohungen der NSDAP einen neuen Mietvertrag für leerstehende Räume am Isargestade 728 gab. Eindrücklich schilderte Steven Anson die schrecklichen Ereignisse, die seinem Vater und seiner Familie in der Reichspogromnacht widerfuhren. Sowohl ihre Wohnung in der Seligenthaler Straße 38 als auch das Geschäft wurden verwüstet, Martin Ansbacher und weitere Familienmitglieder brutal zusammengeschlagen und die Männer der Familien Ansbacher verhaftet. Nach der Entlassung von Martin Ansbacher aus dem damaligen KZ Dachau im Dezember 1938 wurde das Geschäft zwangsverkauft und ein Teil der Familie schaffte es, nach Großbritannien zu emigrieren, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Viele weitere Familienmitglieder jedoch überlebten den Holocaust nicht.
Während des zweiten Teils ihres Vortrages zeigten Steven Anson und seine Frau Hilary Anson, wie auf vielfältige Weise den Opfern des Nationalsozialismus gedacht wurde und wird. So sah man als jüngstes Beispiel, dass in Augsburg 2021 eine Straße nach der Familie der Großmutter mütterlicherseits benannt wurde: „Familie-Einstein-Straße“.
Im Anschluss nutzten die Schülerinnen und Schüler des P-Seminars zahlreich und intensiv die Gelegenheit, Steven und Hilary Anson Fragen zu stellen. Abschließend überreichte Steven Anson der Schule ein Freundschaftszertifikat (s. Bild)
Für Oktober 2023 ist eine Stolpersteinverlegung der beiden P-Seminare in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv für mehrere Opfer des Holocaust in Landshut geplant, dazu gehören auch Martin Ansbacher und seine Eltern Guido und Babette.
Heidi Fischer und Yvonne Löken